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am Anfang stand die Kurzwelle

Mitte der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts waren das meine ersten Erfahrungen mit der Kurzwelle in dem kleinen Ort Putlitz: Den Musiksender RTL auf 6.090 kHz in typischer Kurzwellenqualität zu hören.
Fernsehen gab es noch nicht und vom Internet sprach kein Mensch. Wie ich erst sehr viele Jahre später erfuhr, war RTL für Jugendliche in ganz Europa zu dieser Zeit der beliebteste Popmusik-Sender, trotz der relativ schlechten Empfangsqualität auf Kurzwelle.
Mit nur einem Sender kleiner Leistung und einer selbst entwickelten Rundstrahlantenne versorgte RTL fast ganz Europa. Eine Idee, die RTL zu Beginn der Digitalisierung Ende des letzten Jahrhunderts dazu veranlasste, sich sehr stark im DRM-Konsortium zu engagieren, um mit DRM ganz Europa in nahezu UKW-Qualität zu versorgen. Der Video-Ausschnitt ist einer aus diesem Anlass erstellten Werbe-DVD entnommen.

Damals hatten bessere Radios neben der Lang- und Mittelwelle auch UKW und Kurzwelle, mindestens das 49-m Band, also 6 MHz. Zur besseren Abstimmung auf die exakte Sendefrequenz wiesen diese Radios ein sogenanntes magisches Auge auf, das mit vier grün leuchtenden Kreissegmenten eine optimale Einstellung ermöglichte. Unter den verschiedenen Kurzwellensendern war auch die Deutsche Welle auf der Frequenz 6.075 kHz, die mir aber als Schüler mit ihren vielen Wortbeiträgen nicht besonders gefiel.

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Exotischer fand ich den deutschsprachigen Dienst des italienischen Auslandssenders RAI, der mit südländischer Musik über das für uns in der DDR so ferne Land informierte. Das Leben in Italien schien so aufregend, weit und unerreichbar zu sein, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dort jemals hin zu kommen. Gerne kam ich der Bitte nach, zu schreiben und zu meiner grossen Überraschung erhielt ich schon kurze Zeit später einen dicken Umschlag mit wunderschönen Prospekten über Italien, seine Menschen, Städte, Kultur und Geschichte.

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Aber in noch kürzerer Zeit als der Brief von Italien bis zu mir brauchte bekam ich Besuch von der STASI (Staatssicherheit) der DDR und zu meinem grossen Leidwesen musste ich alle die schönen bunten Unterlagen aus Italien abgeben und geloben, nie wieder Auslandssender zu hören. Natürlich habe ich das nicht befolgt, habe aber nicht mehr an „feindliche“ Sender geschrieben.

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Ob dieses Erlebnis meinen späteren Beschluss indirekt beeinflusst hat, mein ganzes berufliches Leben einem dieser Auslandssender zu widmen, weiss ich nicht mehr. Auf jeden Fall habe ich 1965 beim deutschen Auslandsdienst DEUTSCHE WELLE/DW angeheuert und nach vielen Jahren im Ausland kam ich zurück nach Köln und war u.a. für einige Jahre für die Hörerbetreuung zuständig. Ich korrespondierte nicht nur mit ihnen sondern schickte auch schöne bunte Bildbände über Deutschland und die Welt. Ich hoffe, dass ich keinen Hörer in eine auch nur annähernd so unangenehme Lage gebracht habe, wie ich sie als Schüler in der DDR erlebte.

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Mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 wurde dann die Epoche des DDR-Auslandsrundfunks beendet und es mutet schon wie eine Ironie der Geschichte an, das ich mit der Abwicklung der technischen Anlagen von Radio Berlin International//RBI beauftragt wurde und einige Mitarbeiter des technischen Personals in die Struktur der DW integrieren durfte. Dass auf der anderen Seite ein mir sehr nahe stehender Cousin, der für den gesamten Funkdienst der DDR zuständig war, mit mir das alles abwickeln musste, tat mir sehr leid, aber die deutsche Geschichte hat ja noch nie Rücksicht auf persönliche und familiäre Abhängigkeiten genommen.

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Schulzeit 1948 - 1958

Als ich 1958 die Realschule beendete, stand für mich fest, dass ich nicht in Pulitz bleiben würde.
Denn da gab es für mich keine entsprechende Weiterbildungsmöglichkeit. Der Ort hatte damals knapp 3000 Einwohner, von denen die meisten in der Landwirtschaft tätig waren. Kurzwellenrundfunk interessierte mich zwar bisher schon als Hörer, ich hatte aber keine Ahnung, wie die Technik funktionierte. Deswegen entschloss ich mich, einen Beruf zu erlernen, der etwas mit Elektrotechnik zu tun haben sollte.

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Lehre 1958 - 1961 in Brandenburg/Havel

Aber das war leichter gesagt als getan im damaligen Arbeiter- und Bauernstaat. Der Begriff der "Landflucht" war damals noch nicht bekannt, die Behörden versuchten aber um jeden Preis, die Jugend am Weggang in die Stadt zu hindern. Trotzdem gelang es mir, eine Lehrstelle als Elektromonteur in Brandenburg an der Havel zu bekommen - einer wesentlich größeren Stadt.
Die Lehre dauerte drei Jahre: Ich verlegte Hochspannungskabel, Freileitungen bis 15.000 Volt, Hausinstallationen und errichtete Transformatorstationen. Wir Lehrlinge waren in einem Heim mit militärischem Drill untergebracht - sechs auf einem Zimmer - und wir mussten jeden Morgen vor dem Frühstück zum Appell antreten.

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Im Frühjahr 1961 nahm mich mein Brandenburger Friseur Tietsche zur Deutschen Friseurmeisterschaft nach West-Berlin mit. Wir belegten den 2. Platz!
Anschließend fuhren wir nach Ost-Berlin zum besten Fotografen in der DDR Leidenfrost wo diverse Aufnahmen der nachgestellten Bearbeitung gemacht wurden.
Davon erschien im Juli 1961 im Fachmagazin "Die Frisur" ein ausführlicher Beitrag. Ein Bild daraus soll in vielen Schaufenstern von DDR-Friseuren gestanden haben.

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Fussball Motor-Süd Brandenburg, 2. DDR-Liga

Meine Freizeit vertrieb ich mir als Torwart im örtlichen Fußballverein "Motor-Süd Brandenburg", der in der 2. DDR-Liga spielte. Dafür wurde uns nach jedem Spiel Geld in die Hand gedrückt und ich konnte mir dadurch sogar noch etwas zusätzlich zu meinem spärlichen Lehrgeld verdienen. Die Verbindung zur Kurzwelle bestand zu der Zeit nur im heimlichen Hören von Kurzwellensendungen mit einem der ersten Transistorradios der DDR. Ein Gerät der Firma „Stern“.

 

1. Mannschaft Motor-Süd Brandenburg 1961

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Verlassen der DDR am 1. Juli 1961

Anfang 1961 war meine Lehre beendet und ich musste zur Musterung bei der Volksarmee antreten, die ich auch ohne Probleme absolvierte. Da mein Vater bei der Luftwaffe gewesen war, zog es mich auch dahin, ich wollte Pilot werden. Als ich aber im Bewerbungsgespräch mit Offizieren der Volksarmee zugab, dass ich schon einmal in Westberlin war, da konnte ich mir den Traum vom Fliegen aus dem Kopf schlagen. Ich widerrief meine Bewerbung zur Volksarmee, was 1961 noch möglich war und suchte mir einen Job als Betriebselektriker in einem Brandenburger Betrieb. Dort hielt ich es aber nur wenige Wochen aus und verließ die DDR 12 Tage vor dem Bau der Mauer am 13. August 1961.

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Wie Abertausende andere Flüchtlinge musste ich mich in Westberlin der Aufnahmeprozedur in einem Auffanglager unterziehen, wozu auch ein kurzes Verhör des US-amerikanischen Geheimdienstes gehörte. Da ich aus Brandenburg kam, einer Garnisonsstadt sowohl der Roten Armee als auch der Volksarmee, wollte man von mir wissen, was mir dort besonders aufgefallen war. Ich erzählte - und kann mich auch noch heute gut daran erinnern, dass auf dem Bahnhof Militär zusammengezogen war. Ich hatte aber nicht die geringste Ahnung, dass zwei Wochen später die Mauer gebaut werden würde. Keiner von uns konnte sich vorstellen, dass man vorhatte, die gesamte DDR mit Mauer und Stacheldraht einzuzäunen!

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Neustart in West-Berlin

In Westberlin fand ich sehr schnell eine Anstellung als Elektromonteur in einem kleinen Meisterbetrieb, der unter anderem vom Senat beauftragt war, die Elektroinstallation im Kellergeschoß des Bendler-Blocks zu erneuern. Erst sehr viel später habe ich begriffen, an welch historisch wichtigem Ort ich da arbeiten durfte. Schon nach wenigen Wochen schlug mein Meister mir vor, so schnell wie möglich ein Studium an einer Fachhochschule zu beginnen. Er hatte keine Kinder und suchte wohl einen Erben für sein Geschäft.

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Zunächst konnte ich mir das überhaupt nicht vorstellen, ich wollte erst einmal Geld verdienen und das Leben im Westen genießen. Außerdem wusste ich auch nicht, wie ich das Studium finanzieren sollte. Weil er aber so drängte und ich auch langsam Gefallen an der Idee fand, nicht ewig Elektroinstallationen durchführen zu müssen, ging ich zur Staatlichen Ingenieurschule Gauß, die in Berlin einen sehr guten Ruf hatte und sicher auch heute noch hat. Eine nette Dame erklärte mir die Formalitäten: Weil meine Berufsausbildung in der DDR nicht ohne weiteres zum Studium berechtigte, müsse ich das Abitur in Mathematik an einer Abendschule nachmachen und ein Vorbereitungs-Semester mit anderen Ausländern absolvieren.

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Fußball bei Hertha BSC

Das dreijährige Studium war eine sehr schöne Zeit, ich fand einige enge Freunde, darunter auch einen Libanesen, einen Tunesier und einen Algerier. Neben dem Studium wollte ich aber wieder Fußball spielen und meldete mich beim größten Verein In Berlin an, bei Hertha BSC. Weil ich mich in der DDR nicht beim Club in Brandenburg abgemeldet hatte - wie hätte ich das auch tun sollen - musste ich sechs Monate auf meinen ersten Einsatz warten, durfte aber immerhin schon mit trainieren. Auch hier lernte ich wieder sehr gute Freunde kennen, die schon im Berufsleben standen und mir viele gute Ratschläge gaben. Zwar spielten wir nur in der 3. Mannschaft, durften aber gelegentlich auch vor dem Spiel der 1. Mannschaft im Olympiastadion antreten. Ein ganz besonderes Erlebnis!

 

 

 

3. Mannschaft Hertha BSC Berlin1962 im Olympiastadion

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Deutsche Welle in Köln

Zusätzlich spielte ich noch in der Fußballmannschaft der Fachhochschule und lernte dadurch einige Kommilitonen aus dem Vorsemester kennen. Einer von ihnen erzählte vom Besuch eines Menschen der Deutschen Welle aus Köln, der junge Ingenieure für eine Sendestation in Afrika suchte. Zum erstenmal tauchte damit die Deutsche Welle bewusst in meinen Gedanken auf. Und was der Mann erzählte, klang sehr spannend. Eigentlich hatte ich mit meiner damaligen Verlobten und späteren Frau geplant, nach Südafrika auszuwandern. Wir hatten den deutlichen Drang hinaus in die weite Welt. Als ich mich dann im letzten Semester bei verschiedenen Firmen bewarb, war natürlich auch die Deutsche Welle dabei. Diese zahlte mir auch den Flug nach Köln, weil ich als DDR-Flüchtling nicht auf dem Landweg von Berlin nach Westdeutschland fahren durfte. Um den Tag am Rhein gut zu nutzen, hatte ich noch ein weiteres Vorstellungsgespräch bei der französischen Computerfirma BULL vereinbart, die mir den Flug gleich auch noch einmal bezahlte. Den Einstellungstest hier bestand ich gut, aber am Nachmittag wartete ja noch der Technische Direktor der Deutschen Welle auf mich.

Und was er mir unterbreitete, war genau was wir suchten: Abordnung zur Relaisstation der Deutschen Welle in Ruanda für jeweils zwei Jahre, wobei wir in der Station wohnen würden - mit ausreichend Elektrizität und Wasser, vor allen Dingen aber: Mit sehr viel mehr Gehalt als bei einer Tätigkeit in Deutschland. Zurück in Berlin haben wir uns sehr schnell für die Deutsche Welle entschieden und am 1. September 1965 nahm ich in Köln meine Tätigkeit als Senderingenieur auf, verließ nach dreimonatiger Probezeit Deutschland für Ruanda und kehrte erst 1981 nach vielen Umzügen im Ausland nach Köln zurück. 2002 wurde ich selbst Technischer Direktor und bin seit dem Ruhestand meines Vorgängers eng mit diesem befreundet. Er hat mir die Besonderheiten des Auslandsrundfunks, der Kurzwelle und der Medienpolitik während des Kalten Krieges in seiner sehr direkten Art so überzeugend vermittelt, dass ich 42 Jahre bei der Deutschen Welle blieb und mich in dieser Zeit vielen interessanten Technologien widmen konnte, so auch später der digitalen Kurzwelle. Und damit war ich nun endlich bei der Kurzwelle angekommen, zwar noch analog und kein Mensch dachte 1961 an die Digitalisierung, aber die Weichen waren immerhin schon gestellt.

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1965 Ende Studium Eintritt DW

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Informationen aus 43 Berufsjahren bei der Deutschen Welle und mehr!

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Fotos DW 2008

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1998 Gründung
2008  Eintritt in den Ruhestand